AUSLÄNDERFEINDLICHKEIT

Copyright: Anand Buchwald, eMail: anand@Mirapuri-Enterprises.com

 

Nicht nur wenn Wahlkampf ist, sondern schon seit einigen Jahren macht sich eine zunehmende Ausländerfeindlichkeit breit. Das Problem ist weder neu noch auf Deutschland beschränkt. Aber durch verstärkten Zuzug aus allen Teilen der Welt drängt es immer stärker in den Vordergrund. Interessanterweise sind es neben den faschistischen oder faschistoiden Parteien - bei denen es vor allem um primitives Machtstreben auf der Basis von unbewussten Bürgerängsten geht, statt um Verbesserung des Lebens und seiner Qualität - vor allem die sog. christlichen Parteien, die auf den fahrenden Zug aufspringen, statt ihn zu stoppen.

Nun bietet aber das Christentum, das sich die Parteien als erstes auf's Banner geschrieben haben (ich spreche hier nicht von der Kirche, sondern von der christlichen Idee) eigentlich keinen Anlass für so ein Verhalten. Ganz im Gegenteil VERLANGT Christus von seinen Anhängern Liebe und Verständnis und innere Freiheit und ausgleichendes Wirken zum Wohle aller. Das ist meiner Meinung nach die zentrale Botschaft Christi an die Welt. Diese Botschaft verträgt sich nicht mit den Ausgrenzungsbemühungen der Parteien, die vorgeben, in seinem Namen zu sprechen oder seine Ideale ins Leben übertragen zu wollen. Es scheint fast, als sei das C im Parteinamen nur dazu da, wie ein Fliegenfänger Wählerstimmen zu fangen. Wenn die Parteien das C legitimieren wollen, kann man von ihnen etwas anderes erwarten (und dass sich die Kirche nicht beschwert spricht Bände).

Zuerst einmal muss man die Sachlage klären. Da sind vor allem zwei Punkte (natürlich gibt es zu jeder Sachlage viel mehr Gesichtspunkte) zu nennen: 1. Das physische Faktum der zahlenmäßig größten Völkerwanderung der Geschichte. 2. Das soziale/psychologische Faktum der Ängste und Überforderung der Bürger.

Also, zu Punkt 1: Die Völkerwanderung:

Da fangen wir am besten gleich bei uns selbst an. Würde es uns Spaß machen, alle Freunde, Bekannten und Verwandten, die vertraute Umgebung und vielleicht auch unser Hab und Gut zurückzulassen, um in ein Land überzusiedeln, in dem wir niemand kennen, dessen Sprache wir nicht sprechen, dessen Klima zu kalt oder zu heiß ist und in dem wir auf die Hilfe und Unterstützung fremder Menschen angewiesen wären? Oder weniger extrem: Wer von uns wäre bereit, unter Beibehaltung seiner Arbeit etwa nach Finnland zu ziehen, nach Rußland, China, Japan, in die Türkei, in den Libanon, in ein zentralafrikanisches Land, nach Süd- und Mittelamerika, ins wilde Kurdistan, oder nach Afghanistan oder Nordirland? Da muss es schon wirklich sehr schwerwiegende Gründe geben, damit wir uns auf so ein Wagnis einlassen würden (von Abenteurernaturen mal abgesehen). Aus unseren Reaktionen wird sich unschwer schließen lassen, dass es in den Ländern, aus denen Menschen zu uns kommen, alles andere als zum Besten bestellt sein muss. Und wenn man so jeden Tag die Nachrichten sieht, fragt man sich manchmal, warum nicht mehr Menschen zu uns drängen! Wenn man Christ ist oder Humanist (ich spreche nicht vom mechanischen Taufchristentum oder vom Lippenbekenntnis-Humanismus) ist es die 2. Pflicht, die Leute ins Land zu lassen, ihnen zu helfen und sie zu integrieren.

Die eigentliche Pflicht aber, die 1. Pflicht, ist es, es gar nicht so weit kommen zu lassen, dass diese vielen Menschen ihr Zuhause verlassen müssen. Statt der Symptombekämpfung mit "Ausländer raus!"-Parolen (Jeder weiß ja wohl, dass Jesus hierzulande ein verfolgter Ausländer wäre) sollte man sich den Ursachen zuwenden. Solange es Kriege auf der Welt gibt, Religionszwistigkeiten, Hunger, Versteppung, Umweltzerstörung, Völkermord, Habgier, Machthunger, Hass, Dummheit, Verdummung, Ausländerfeindlichkeit, wird es Flüchtlinge geben und die Symptombekämpfung wird immer heftiger werden und schließlich in neue Kriege münden.

Mit zu dieser Thematik gehört auch die Förderung eines Neuen Weltbildes. Die Ereignisse um Tschernobyl (und früher auch der Ausbruch des Krakatau) haben gezeigt, dass Grenzen eine künstliche, virtuelle Angelegenheit sind, die in der realen Realität keine Entsprechung haben. Und das World Wide Web zeigt dies auch (trotz der Zensurbemühungen Deutschlands und Chinas). Die mühsame, unwillige, schwerfällige Entwicklung der Europäischen Union ist ein erster kleiner Schritt in die richtige Richtung. Aber braucht man wirklich einen "Independence Day", um sich zur weltweiten Kooperation durchzuringen, ganz zu schweigen von einer Welteinheit? Wir sollten wirklich aufpassen! Es ist nie zu früh, einen Fortschritt zu machen, aber wenn wir uns weiter gegenseitig zerfleischen, statt uns zu helfen, kann es irgendwann zu spät sein.

So ist es ganz bestimmt nicht zu früh, etwas gegen Punkt 2 zu tun: Die sozialen und psychologischen Ängste:

Es ist falsch, wegen des Stimmengewinns, die Menschen in ihren Ängsten zu bestärken, statt sie ihnen zu nehmen. Bei diesen Ängsten dürfte es sich weniger, wie oft vorgeschoben wird, um die Angst vor dem Verlust der eigenen Kultur handeln, wogegen man ja auch etwas machen könnte, wenn es einem so wichtig ist. Aber man muss in diesem Zusammenhang auch bedenken, dass es keine Kultur gibt, die seit ewigen Zeiten gleich und unverändert ist. Die menschliche Evolution bringt Veränderungen zwangsläufig mit sich. Unterbindet man alle Veränderungen, bedeutet das den evolutionären und kulturellen Tod.

Betrachten wir mal zur Illustration die Bayerische Kultur, die man von der übrigen Deutschen Kultur nicht komplett trennen kann. Sie ist nicht ursprünglich Bayrisch, wie viele Lokalpatrioten vorgeben, sondern recht Europäisch (von der internationalen Heiratspolitik des Adels mal ganz abgesehen). Ich bin ja kein Sprachforscher, aber Servus und Bavaria und etliche Ortsnamen dürften ihren Ursprung wohl im Römischen Reich haben; davor haben die Kelten und vielleicht auch die Goten ihre Spuren hinterlassen; danach die Franzosen die Furken, die Cucumber, das Portemonnaie, das Trottoir. Mehlspeisen kommen auch aus Tschechien, der Slowakei und dem früheren Österreichischen Staatsgebilde. Und heutzutage nehmen wir andere Einflüsse auf: die Amerikanischen; und zunehmend sind auch Pasta, Pizza, Taco, Döner, Tzatziki, Gyros, Paella, Sushi und Halva/Helva keine Fremdwörter mehr. Was nun die volkstümliche Kultur betrifft, so hat die Förderung des alten Volkstums wohl eher zu ihrem Aussterben beigetragen. Die kommerzialisierte, stromlinienförmige, glatte Volksmusik und das zugehörige "Brauchtum" sind künstlich und haben wohl kaum noch etwas mit der "ursprünglichen" Bayerischen Volksseele zu tun. Die einzigen, die wirklich bemüht sind, den Bayer. Geist aufrecht zu erhalten, sind die Neuerer, wie z.B. die Biermösl Blosn.

Woraus folgt: Veränderungen sind wichtig; Veränderungen sind notwendig; Veränderungen sind natürlich. Man braucht davor keine Angst zu haben, sondern sollte sich bewusst auf sie einlassen.

Dann hat man sie auch unter Kontrolle und läuft weniger Gefahr, der anderen Angst zu unterliegen: Der rudimentären Angst vor allem Fremden und der damit verbundenen Unsicherheit. Diese Angst hat viele Ursachen und psychologische und tiefenpsychologische und soziobiologische u.a. Aspekte, die ich hier nicht alle beleuchten kann. Das Problem ist also schwierig, und durch ausländerfeindliche Parolen bestimmt nicht in den Griff zu bekommen.

Notwendig sind im öffentlichen Sektor Bildungsmaßnahmen - vor allem auch im Fernsehen und den übrigen Medien -, ÜBERZEUGENDE Auftritte der Politiker, Verbreitung christlichen Gedankenguts für Geburtschristen von den Kirchenkanzeln (vom Papst wäre so etwas auch nicht schlecht), Abbau von Animositäten in der Kirche gegen andere Religionen....... In Schottland gibt es da einen Ansatz, der zwar sicher nicht bewusst in diese Richtung zielt, der aber von der ganzen Welt übernommen werden könnte: Das Ceilidh: Das ist ein Fest / eine Tanzveranstaltung, zu der Jung and Alt erscheinen und wo jeder ausdrücklich aufgefordert ist, zum Erfolg beizutragen: Wer etwas sagen will, etwas aufführen, etwas singen, etwas vorlesen, kann dies tun, unvorangemeldet. Mit solchen Festen ließen sich viele Berührungsängste abbauen. Die Ängste kommen ja daher, dass man den anderen nicht versteht ­ nicht nur sprachlich, sondern auch kulturell, von seiner Lebensweise und -sicht her. Und da schlagen beim Menschen nun mal die Tierelemente zu, die er immer noch mit sich trägt. Gegen dieses tierische Erbe kann man zwar kurzfristig nichts unternehmen, aber man kann ihnen durch wachsendes Wissen und Bewusstwerdungsprozesse den Boden unter den Füßen entziehen (sich mit ihnen auseinanderzusetzen wäre wohl wichtiger, aber auch schwerer).

Aber Erwachsene sind leider meist nicht sehr lernfreudig, so dass man sich keine Illusionen darüber machen sollte, was in den nächsten Jahrzehnten möglich ist. Wenn man auf Dauer etwas erreichen möchte (und die Notwendigkeit sollte jetzt jedem einleuchten), muss man mit der Jugend anfangen, d. h. man muss in der ganzen Jugendkulutr die Verständnisbereitschaft fördern: In der Musik, in Filmen, in Video-Clips, in Comics, Jugendzeitschriften...

Und man muss sich ernsthaft bemühen, Grundlagen zu schaffen, damit diese Einflüsse auf fruchtbaren Boden fallen. Da ist zum einen das Schulwesen, das einer gründlichen Reform bedarf. Hier nur einige Stichpunkte: Weniger Noten; Gliederung in Leistungsfächer (Naturwissenschaften und Fremdsprachen), Allgemeinbildungsfächer und persönlichkeitsbildenden Unterricht; mehr Fremdsprachen; statt Religion: ReligionENkunde + Ethik + Psychologie + Soziologie; Völker- und Kulturkunde (wir sind auf der Erde reichlich mit verschiedenen Kulturen gesegnet, und das nicht nur mit ausgestorbenen); Lerntechnikkunde; Vernetzung und Integration aller Fächer; Themenprojekte; Ausdruckslehre;....

Darüberhinaus ist es von äußerster Wichtigkeit für unser aller Zukunft auf einer zwangsweise multikulturellen Erde, dass die Kinder zu wirklichen Persönlichkeiten werden, fähig, sich eigene Gedanken zu bilden, mit einer unverbauten Sehnsucht nach Freiheit und einem reichen Ausdruck der Gefühle. Oder wollen wir wirklich, dass unsere Folgegenerationen sich auch zu Duckmäusern mausern, die das eigenständige Denken vergessen und singend auf Geheiß des nächsten Diktators ins Grab tanzen? Seien wir uns doch darüber klar, dass die Zukunft - unabhängig von der Bevölkerungszusammensetzung - nicht so sein wird wie die Gegenwart, und auch nicht so sein wird, wie wir sie uns vorstellen. Wenn wir wollen, dass sie sich zum Besseren entwickelt, reicht es nicht, nur zuzuschauen oder einfach nur "dagegen" zu sein. Wir müssen Grundlagen legen, hier und heute - und zwar zuerst bei uns selbst.

 

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